Das deutsche Kinder- und Jugendhilferecht sieht vor, dass junge Menschen bei Vorliegen eines besonderen Bedarfes im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung vorübergehend in familiären Settings oder Einrichtungen im EU-Ausland untergebracht werden können. Im Zuge der SGB-VIII-Reform hat der Bundesgesetzgeber 2021 Neuregelungen zu im Ausland erbrachten Hilfen getroffen (§ 38 SBG VIII). Auch auf EU-Ebene wurde mit der Brüssel-IIb-Verordnung das Regelwerk für die "Unterbringung" von Kindern angepasst, die innerhalb der Europäischen Union (EU) grenzüberschreitend durchgeführt wird. Von besonderem Belang ist hierbei das Erfordernis eines spezifischen "Konsultationsverfahrens", das vor der geplanten Unterbringung im Ausland durchzuführen ist. Ziel des Konsultationsverfahrens ist, dass auch die örtlichen Behörden über die Unterbringung informiert sind, diese billigen und damit in die Lage versetzt sind, bei Bedarf den Schutz der betroffenen Jugendlichen sicherzustellen. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen.
Der Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e. V. (BVkE) sieht jedoch die große Gefahr, dass die Neuregelungen absehbar auch das Ende von kurzzeitigen Ferienzeiten, Bildungsmaßnahmen im Ausland sowie internationalen Begegnungen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die in stationären Wohngruppen oder in Pflegefamilien leben, bedeuten. Denn die Konsultationspflicht stellt die Fachpraxis vor sehr große praktische Herausforderungen, auf die auch der Deutsche Verein in seinen 2022 veröffentlichten Eckpunkten hinweist.
Für die verpflichtende Konsultation ist nämlich nicht von Belang, für wie lange bzw. mit welcher Intention ein Aufenthalt - eine "Unterbringung" im Ausland erfolgt bzw. ob der nationale wie z.B. der deutsche Gesetzgeber eine Maßnahme als Auslandsmaßnahme im Sinne des § 38 SGB VIII bewertet. Es wären also grundsätzlich auch Wochenendausflüge von Wohngruppen in benachbarte Grenzregionen, Gedenkstättenfahrten, religiöse Kinder- und Jugendtreffen wie der Weltjugendtag 2023 in Portugal, spirituelle Treffen in Taizé, Urlaub von Pflegefamilien oder das Freiwillige Soziale/Ökologische Jahr von dem sehr aufwendigen Konsultationsverfahren betroffen.
Der BVkE sieht darin eine Ungleichbehandlung von Kindern und Jugendlichen, die nicht in ihren Ursprungsfamilien aufwachsen können, eine Einschränkung ihrer Teilhabe auf Auslandserfahrung und eine Behinderung bei der Ausübung der jeweiligen Religion.
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