Ausgangslage
Viele Kinder und Jugendliche in stationären Hilfen zur Erziehung wachsen unter erschwerten Bedingungen auf bedingt durch
- Belastungen durch Sucht oder psychische Erkrankungen der Eltern
- Armut, Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung
- eigene psychische oder schulische Schwierigkeiten
Die Hilfen zur Erziehung bieten therapeutische, pädagogische und schulische Unterstützung mit dem Ziel, Benachteiligungen auszugleichen und die Jugendlichen auf ein eigenständiges Leben vorzubereiten.
Strukturelles Defizit beim Übergang ins Erwachsenenalter
Mit Volljährigkeit endet die Hilfe zur Erziehung oft abrupt.
- Jugendliche müssen mit 18 (selten mit 19 oder 20) Einrichtungen verlassen.
- Eine Gewährung der Hilfen zur Erziehung, bis Ausbildungs- oder Studienabschluss ist selten.
- Freiwilligendienste (FSJ, FÖJ, Auslandsdienste) nach § 2 des Jugendfreiwilligendienstgesetzes (JFDG) sind faktisch nicht möglich, da Rückhalt, Finanzierung und rechtliche Absicherung fehlen.
Bedeutung von Freiwilligendiensten
In stabilen Familien sind Freiwilligendienste etabliert als Phase von
- Reifung und sozialem Lernen
- beruflicher Orientierung
- Identitätsbildung
- Jugendliche aus der Jugendhilfe sind hiervon ausgeschlossen. Ihnen fehlt i. d. R.
- ein "Heimathafen" (verlässliche Rückkehroption, wenn Probleme auftreten)
- Begleitung bei Krisen, Heimweh, Wechselwünschen
- Absicherung von Wohnraum und Lebensunterhalt
Erkenntnisse aus Jugendforschung und Politik
Der 17. Kinder- und Jugendbericht 17. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lage junger Menschen und die Bestrebungen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe) zeigt:
- Das junge Erwachsenenalter (18 - 26 Jahre) ist eine eigenständige Lebensphase.
- Übergänge in Beruf, Bildung und Lebensführung sind stark durch soziale Ungleichheiten geprägt.
- Übergänge in Erwachsenenrollen verlaufen zunehmend individualisiert und zeitlich verzögert.
- Die Jugendphase ist länger und komplexer geworden - sie endet nicht abrupt mit 18 Jahren.
Folgen der aktuellen Regelung
- Die Hilfe wird genau dann beendet, wenn nachhaltige Unterstützung für Verselbstständigung besonders wichtig wäre.
- Jugendliche müssen Hilfebedarf im Hilfeplanverfahren nachweisen. Finanzielle und soziale Gründe werden nicht anerkannt.
- Strukturelle Ausgrenzung führt zu verstärkter Ungleichheit und verhindert Teilhabe an zentralen Erfahrungen wie Freiwilligendiensten.
Rahmenbedingungen für Teilhabe an Freiwilligendiensten junger Menschen aus den Hilfen zur Erziehung
Damit Jugendliche aus der Jugendhilfe gleiche Chancen auf einen Freiwilligendienst haben, braucht es verlässliche rechtliche, organisatorische und finanzielle Rahmenbedingungen:
- Rechtliche Grundlage
Chancengleichheit auf Teilhabe an Freiwilligendiensten für junge Menschen aus den Hilfen zur Erziehung durch eine des § 41 SGB VIII, um einen klaren Rechtsanspruch auf Begleitung und Teilhabe an Freiwilligendiensten zu schaffen. - Rückkehroption ("Heimathafen")
Der Platz in der Einrichtung sollte während des Freiwilligendienstes freigehalten werden, um eine sichere Rückkehr zu ermöglichen. Dies stellt sowohl Jugendämter als auch Einrichtungen vor Herausforderungen, insbesondere bei der Kostenübernahme. - Verlässliche Struktur und Begleitung
Pädagogische Fachkräfte aus den Einrichtungen sollten die Jugendlichen während des Freiwilligendienstes unterstützen - vergleichbar mit einer familiären Absicherung. - Finanzierung/Platz freihalten
Es braucht klare Regelungen, dass Kostenträger die Finanzierung von Unterkunft, Betreuung und ggf. Rückkehr sicherstellen - unabhängig vom SGB II.
Nur so können auch diese jungen Menschen Erfahrungen sammeln, einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, neue Wege erproben und gestärkt ihren weiteren Lebensweg gehen - gleichberechtigt mit ihren Altersgenossen.
Der BVkE setzt sich dafür ein, dass auch benachteiligte junge Menschen gleichberechtigt Zugang zu Freiwilligendiensten im Rahmen des Jugendfreiwilligendienstgesetzes erhalten.
Erarbeitet von Catja Teicher
Verabschiedet vom Vorstand des BVkE e. V. am 25.09.2025 in Würzburg