Gießen 08.09.2020. DCV Vorstand Eva Maria Welskop-Deffaa besucht auf Einladung des BVkE eine SkF-Einrichtung der inklusiven Jugendhilfe in Gießen .Das "Agnes Fördernetzwerk" in Gießen, Mitglied des BVkE, praktiziert erfolgreich inklusive Jugendhilfe. Unter dem neuen Namen sind seit Juli 2020 zwei ehemals getrennte stationäre Einrichtungen des Sozialdienstes katholischer Frauen e.V. Gießen endgültig miteinander verschmolzen - und damit auch die beiden Stränge Eingliederungshilfe und Jugendhilfe. Was das in der Praxis bedeutet, hat sich DCV-Vorstand Eva-Maria Welskop-Deffaa auf Einladung des BVkE jetzt vor Ort angesehen. Peter Kraus, der Leiter des Agnes Fördernetzwerks, benannte bei dem Besuch klar die Errungenschaften, aber auch die enormen praktischen Herausforderungen, welche die Umsetzung der Inklusion in der Jugendhilfe täglich mit sich bringt. Diese waren dann auch Thema beim anschließenden fachlichen Austausch, an dem für den SkF e.V. Gießen Geschäftsführerin Yvonne Fritz, Vorstandsvorsitzende Maria Graubert-Bellinger und Peter Kraus sowie BVkE Vorsitzender Dr. Klaus Esser und Stefan Wink vom DiCV Essen, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- Jugend- und Familienhilfe Hessen teilnahmen.
"Ich habe großen Respekt vor dem, was Sie konzeptionell hier aufgebaut haben", sagt Eva Maria Welskop-Deffaa. Insgesamt 70 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren leben in den vier Gebäuden des Agnes Fördernetzwerks in Gießen und Umgebung. Um die 100 Mitarbeitende sind hier beschäftigt, betreuen und fördern die jungen Menschen in den sieben Wohngruppen und im eigenen therapeutischen Förderzentrum. Besonders bemerkenswert findet Welskop-Deffa, dass der SkF aus eigener Kraft über 20 Jahre hinweg diesen Weg gegangen ist. Denn obgleich die inklusive Jugendhilfe auf der sozialpolitischen Agenda weit oben steht, sind Eingliederungshilfe und Jugendhilfe in der Realität weiterhin zwei getrennte Säulen.
Von unklaren Zuständigkeiten, unterschiedlichen Herangehensweisen und infolgedessen krassen Fällen betroffener Jugendlicher, die durch jedes Raster fallen, können alle in der Runde berichten. "Keiner weiß, wer wofür zuständig ist", bringt Peter Kraus die Schwierigkeiten in den Hilfe- und Kostenzusicherungsverfahren auf den Punkt. Dass die regionalen Jugendämter, die jetzt schon ihre Aufgaben kaum bewältigen können, zusätzlich für die Eingliederungshilfe zuständig sein sollen, führt zu Problemen. Es gebe keine eingeübte Praxis, keinen gesetzlichen Rahmen und dazu Sparzwänge, so Stefan Wink. Dazu, dass die Inklusion Geld kostet und dass sich derzeit Tendenzen zeigen, sie als Instrument zur Kostensenkung einzusetzen, müssen sich die Verbände verhalten. "Wir als BVkE oder die Erziehungshilfefachverbände müssen hier unsere Stimme erheben und deutlich machen, dass für den inklusiven Prozess rechtzeitig ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, die auch in den Kommunen ankommen", sagt BVkE Vorsitzender Dr. Klaus Esser. Der Verband macht sich gemeinsam mit 64 Einrichtungen und dem Partnerverband EREV auf den Weg diese Prozesse zu beschreiben und hierfür Lösungen für die Praxis zu entwickeln www.projekt-inklusionjetzt.de
Auch Eva-Maria Welskop-Deffaa sieht hier Handlungsbedarf: "Ressourcen sind knapp, gerade jetzt in der Corona-Phase. Wir müssen die Kommunen stärken, sonst sind diese Projekte in Gefahr". Denn offensichtlich verlagern sich die Herausforderungen der Inklusion zunehmend auf die Ebene der Kommunen. Das hat Folgen für die Einrichtungen, weil sie mit vielen unterschiedlichen Stellen über Leistungen verhandeln müssen - bei einem Haus wie "Agnes" mit bundesweitem Einzugsgebiet ist von vierzig Ansprechpartnern die Rede. Und es hat Folgen für die Interessenvertretung der Wohlfahrtsverbände, die sich anders aufstellen müssen, wenn sich die öffentlichen Strukturen ändern.